Donnerstag, 22. Oktober 2015

Fama crescit eundo - Das Gerücht wächst mit seiner Verbreitung

Man muss wohl keine großartig einleitenden Worte zu diesem Blogeintrag finden. Jeder weiß worum es im Kern seit Freitag Abend geht: um 6,7 Millionen Euro, welche der DFB an die FIFA überwiesen hat. Momentan kann man als außenstehender wenig dazu sagen, man kann entweder dem Spiegel oder dem DFB mehr glauben.

Ein Problem an der Debatte ist unter anderem die enorme Emotionalität, die Spiegel Journalist Jens Weinreich in Zusammenarbeit mit DFB Anwalt Schertz am Sonntag Abend bei Sky90 setzte. Zugegeben, den Ärger Weinreichs kann ich volkommen nachvollziehen aufgrund der Erfahrungen die er mit Herrn Schertz gemacht hat, doch ein sachlicher Auftritt wäre für die wichtige Thematik besser gewesen. Bisheriges Highlight einer unsachlichen Debatte lieferte Alfred Draxler heute, als er den Inhalt der Niersbach Presseerklärung vorab auf Bild.de veröffentlichte in der Rubrik "Nachgehakt" und wiederholt betont, das Sommermärchen sei nicht gekauft gewesen. Für den martialischen Satz "Ich bin mir bewusst, dass ich mit diesem Artikel meine Reputation als Journalist und Reporter aufs Spiel setze" fand er sogar die Capslock-Taste.

Fraglich ist ob die Wahrheit jemals ans Licht kommt, denn momentan fällt es leicht hierzu weitere Fragen aufzuwerfen. Bereits im Dezember 2001 berichtete der Berliner Kurier darüber, dass DFB Präsident gerhard Mayer-Vorfelder von der FIFA einen Zuschuss für die WM forderte.
Bemerkenswert ist an dieser Stelle auch, dass ich nur einen Link vom Berliner Kurier dazu finde und in den Archiven der großen Zeitungen nichts. Ich hoffe es liegt nicht an meiner Unfähigkeit.
Durch diesen Artikel lassen sich jedoch weitere Fragen aufwerfen, die alle nicht zu falsifizieren sind.
War das Geld dafür vorgesehen, Mayer-Vorfelder wieder in das FIFA Exekutivkomitee zu befördern, einen Sprung den er tatsächlich 2002 wieder schaffte, wobei er im Dezember 2001 noch sagte "Vielleicht. Es werde ganz schwer."?
Musste man mit den 6,7 Millionen Euro die FIFA Mitglieder bestechen, die über einen Zuschuss für die WM entscheideten? Oder war das Geld allein für Sepp Blatter, der es bekam und diesen Zuschuss durchzudrücken und obendrein noch die frühzeitige Unterstützung des DFBs in der nächsten Wahl zum FIFA Präsidenten, zu welcher der UEFA Präsident Lennart Johanssen sich nicht pro Blatter aussprechen wollte.
Am Ende können auch Niersbach Variante oder die des Spiegels zutreffen, nur sind es so mitlerweile 5 Theorien die alle nicht als falsch belegt werden können. Ein Hypothesenspiel, welches auch Fabian Scheler erörterte.


Also werfen wir doch einen Blick auf Sachen die wir wirklich wissen. Von den 24 Stimmen im Exekutivkomitee zur Vergabe der WM 2006 kamen 9 aus Europa. Einer davon war Joseph Blatter, der seine Stimme sicher an Südafrika gab. Die anderen 8 Vertreter aus Europa (Schweden, Belgien, Türkei, Spanien, Norwegen, Malta, Italien und Schottland) gaben ihre Stimme sicher an Deutschland.
Da bei Unentschieden Blatters Stimme entscheident ist, benötigt Deutschland also insgesamt 13 Stimmen.

Die Vertreter aus Südamerika (Argentinien, Brasilien und Paraguay) und Nord- bzw. Mittelamerika (Costa-Rica, USA und Trinidad und Tobago) standen hinter der Bewerbung Südafrikas, die afrikanischen Vertreter (Botswana, Kamerun, Mali und Tunesien) logischerweise auch.
So verbleiben noch fünf Wahlmänner, die alle pro Deutschland votieren müssten um die Weltmeisterschaft nach Deutschland zu holen.

Der Neuseeländer Charles Dempsey gab keine Stimme ab. Vom Fußballverband Neuseelands hatte er den deutlichen Auftrag bekommen pro Südafrika zu votieren. Die Enthaltung begründete er immer wieder damit, dass man während der Tagung Druck auf ihn ausübte. Da er für Südafrika stimmen sollte liegt die Vermutung nahe, dass der Druck von Deutschland oder einem Deutschland unterstützendem Verband kam. Warum genau Dempsey seine Stimme jedoch nicht abgab ist ein Geheinnis, welches er mit ins Grab genommen hat. Er verstarb im Jahr 2008.

Nicht weniger mysterös wird es wenn man den Blick auf die Vertreter Asiens wirft:

Abdullah Khalid Al Dabai vertrat Saudi-Arabien im Exekutivkomitee. Zur damaligen Zeit bestand ein Waffenembargo gegenüber Saudi-Arabien, welches kurz vor der Abstimmung durch die Bundesregierung ausgesetzt wurde, sodass mit Zustimmung des Bundessicherheitsrates 1.200 Panzerfäuste nach Saudi-Arabien geliefert werden konnten. 

Der Vertreter Südkoreas, Chung Mong-joon, wurde vor vierzehn Tagen von der FIFA Ethikkommission für sechs Jahre gesperrt, da ein Brief aus dem Jahr 2010 von ihm bekannt wurde, in welchem er ankündigte 777 Millionen US Dollar an den Global Football Fund zu spenden für den Fall der WM Vergabe 2022 an Südkorea. Mong-joon will jedoch gegen diese Sperre mit allen juristischen Mitteln vorgehen, da er darin nur einen Vorwand sieht ihn der Kandidaturfür den Posten des FIFA-Präsidenten zu berauben.
Dailmer Chrylser, deren bekannteste Marke Mercedes Benz ist, welche großer Sponsor des DFB ist, fing kurz nach der WM Vergabe pro Deutschland damit an, Millionen Euro in Hyundai und Projekte mit Hyundai zu investieren. Eine Investition, die einen faden Beigeschmack bekommt, wenn man weiter ausführt, dass Chung Mong-joon Sohn des Gründers von Hyundai ist. Damaliger CEO war sein Bruder Chung Mong-hun, der 2003 Selbstmord begang. Daraufhin wurde Chung Mong-koo, ebenfalls Bruder des Exekutivkomiteemitglieds, CEO von Hyundai. Vorher war er CEO von Hyundai Motor.
Chung Mong-koo wurde 2006 verhaftet und gegen Kaution wieder freigelassen. Die Schuldsprechung im Februar 2007 des Bezirksgerichts Seoul beinhaltet unter anderem die Unterschlagung von 50 bis 82 Millonen Dollar, welche privat genutzt und auf Schwarzgeldkonten deponiert wurden. Mit diesem Geld wurden zahlreiche Beamte und Politiker bestochen. Die Strafe wurde zunächst nicht vollstreckt und anschließend zur Bewährung ausgesetzt.

Nicht weniger mysteriös wird es wenn man eine mögliche Beeinflussung des thailändischen Vertreters Worawi Makudi aufzeigen möchte. Als sich im Sommer 2000 eine mehrheit Südafrikas abzeichnete trat der FC Bayern, damaliger Präsident war übrigens Franz Beckenbauer, zu Freundschaftsspielen gegen die Nationalteams von Trinidad & Tobago, Malta und Thailand an. Alle drei Länder hatten stimmberechtigte Mitglieder im Exekutivkomitee und zumindest die Stimmen von Malta und eben Thailand galten als unsicher.
Die Übertragungsrechte an den Freundschaftsspielen sicherte sich die Agentur CWL, damaliger Direktor Günther Netzer. Damals gehörte die Agentur zum Kirch Imperium. Übertragen wurden die Spiele im deutschen TV vom damaligen DSF, welches ebenfalls zur Kirch Gruppe gehörte.
Im Fall Trinidad und Tobago kam es jedoch nie zum vereinbarten Freundschaftsspiel. Und ausgerechnet Trinidad und Tobago votierte für die südafrikanische Bewerbung .
Die Freundschaftsspiele sollen den nationalen Verbänden zwischen 250.000 und 300.000 Dollar eingebracht haben.
Welches Interesse der Kirch Konzern an einer Weltmeisterschaft in Deutschland hat ist relativ schnell beantwortet. Kirch besaß die Übertragungsrechte an der WM 2006. Nun ist es nur logisch, dass man die Rechte für eine WM in Deutschland für mehr Geld verkaufen kann als für eine in Südafrika.
Als Worawi Makudi auf einer Pressekonferenz während der Frauen Weltmeisterschaft 2011 darauf angesprochen wurde brach Sepp Blatter die Pressekonferenz ab.

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass Chemieriese BASF bekanntgab in Thailand investieren zu wollen und Bayer und Volkswagen sogar in Thailand und Südkorea investieren wollten.

Und mit dem letzten Exekutivkomiteemitglied aus Asien, Mohamed bin Hammam aus Katar kommen wir wieder zu den Spekulationen vom Anfang. Doch ich möchte nicht spekulieren, vielleicht eher zum nachdenken anregen, darüber wie Franz Beckenbauer über die WM in Katar redet, dass er dort keine Sklaven gesehen hat. Man mag ja von Franz Beckenbauer halten was man will, jedoch sind wir uns alle denke ich darüber einig, dass Beckenbauer geistig dazu fähig ist ein tiefgehenderes Urteil darüber zu äußern. Könnte es also gewisse Gründe haben, dass Beckenbauer sich so wohlwollend über Katar äußert?

Man kann also mit drei von vier Exekutivkomiteemitgliedern bzw. Verbänden aus Asien Verbindungen zeitlich rund um die WM-Vergabe 2006 mit der deutschen Wirtschaft und Politik nachweisen. Zwar wurde eine Verbindung von den Beteiligten stets abgestritten, doch an wieviel Zufall glauben wir dann?
Momentan wirkt die Diskussion so als wären es die 6,7 Millionen Euro gewesen oder nicht, doch die Anzahl der verdächtigen Aktivitäten ist weitaus größer. Und im Angeicht dessen möchte ich mich (und ich hätte nie gedacht es mal zu tun) Waldemar Hartmann anschließen, der fragte:

"Haben denn wirklich die Deutschen geglaubt, dass wir diese WM bekommen haben, weil wir so ganz besonders beliebt sind auf dieser Welt, weil wir so tolle Hechte sind, weil wir so gut ausschauen und uns alle lieben zum niederknutschen?"

Darauf muss jeder eine eigene Antwort finden, jedoch hilft es bei der Antwortfindung nicht nur die 6,7 Millionen Euro Affäre zu betrachten.